Bewerbermanagementsysteme und Online-Kommunikation auf dem Prüfstand: Teil 2 des Interviews mit Potentialpark

Vor wenigen Tagen gab es auf saatkorn. bereits ein Interview mit Torgil Lenning, CEO von Potentialpark zu der diesjährigen Potentialpark-Studie. Angekündigt war dort bereits ein zweiter Teil, der sich etwas ausführlicher mit den Themen Bewerbermanagement-Systeme und Online-Kommunikation insgesamt befassen sollte. Voilá, auf geht’s:

saatkorn.: Sprechen wir über Euer Ranking der Bewerbermanagement-Systeme! Was genau habt Ihr hier untersucht, was sind die Erwartungen der Zielgruppe?
Wir untersuchen in der APOLLO-Studie Online-Bewerbungssysteme aus Sicht der Kandidaten: Einmal was sie generell davon halten, dann welche Kriterien, Informationen und Funktionen ihnen wichtig sind. Und schließlich inwieweit die Top-Arbeitgeber mit ihren implementierten Applicant Tracking Systems (ATS) diese Kriterien erfüllen. Dafür haben wir in Deutschland über 2000 Studenten und Absolventen befragt und 131 Unternehmen mit ihren Karriereseiten und ATS analysiert.

Der Name der APOLLO-Studie, die wir 2012 zum dritten Mal durchgeführt haben, steht für Applying Online & Loving It. Diese „Liebe“ ist bisher alles andere als Realität, aber ein optimistisches Ziel, weil auch den Bewerbern klar ist, dass kein Weg aus dem digitalen Zeitalter zurückführt.

Zusammenfassen lässt sich das Feedback der Kandidaten so: Frustrierend mit Lichtblicken. Der Kontrast zwischen dem intuitiven und sozialen Web auf der einen Seite und technischen, komplizierten und anonymen Onlinebewerbungen wird größer. Gleichzeitig sehen wir, dass sich vor und hinter den Kulissen einiges bewegt. Manche Arbeitgeber sind einen weiten Weg gegangen, um ihre Onlinebewerbung kandidatenfreundlicher zu machen, und noch mehr sind dabei, es umzusetzen, brauchen aber noch etwas Zeit.

saatkorn.: Was sind für Euch die größten Überraschungen in diesem Kontext?
Die Präferenz für die Emailbewerbung erlebt ein Comeback, das Arbeitgebern Sorgen machen sollte. 74% der Jobsucher finden sie akzeptabel, gegenüber 56%, die das über Onlinebewerbungen sagen. Mehrfachnennungen waren möglich. Onlinebewerbungen haben Vor- und Nachteile, aber wenn man es zehnmal gemacht hat und beim elften Mal wieder ein komplettes Formular ausfüllen muss, wünscht man sich die gute alte Email mit Anhang zurück.

Das gilt umso mehr, da 75% der Jobsucher sich schon einmal online beworben haben. 49% finden immer noch, dass es sich wie eine „black box“ anfühlt, in die man seine Daten schmeißt, ohne je zurückzuhören.

Die sozialen Netzwerke halten langsam aber sicher Einzug in die Onlinebwerbunges-Systeme. Zwar bieten bisher nur 5% der Unternehmen es Bewerbern an, den Link zu einem Onlineprofil, etwa auf LinkedIn oder Xing, in der Bewerbung zu hinterlegen. Dies könnte bald üblicher werden und den Kandidaten Zeit sparen.

Potentialpark 2012 Top 30 Bewerbermanagement-Systeme

Und schließlich haben wir natürlich die zahlreichen Fusionen und Übernahmen zwischen ATS-Anbietern gesehen. Diese sind im Moment sehr mit sich selbst beschäftigt, und die Kandidaten-Perspektive steht nicht immer ganz oben auf der Tagesordnung.

Dabei wissen die meisten Arbeitgeber längst, dass zu einer attraktiven Arbeitgebermarke eine kandidatenfreundliche Onlinebewerbung gehört. Viele haben festgestellt, dass sie hier mühsam aufgebauten Kredit verspielen und Kandidaten verlieren. Gerade jetzt, wo ambitionierte, aufstrebende Systemanbieter wie Softgarden, Persis oder Promerit Alternativen zu den Großen entwickelt haben. Wir sagen nicht, dass diese besser sind. Doch sie mischen den Markt auf. Deshalb sollten Arbeitgeber ihre Kaufkraft nutzen, um auch die größeren Anbieter zu bewegen.

Die andere große Herausforderung ist diese: wird man sich bald mit dem Handy bewerben können, und wenn ja, wie? Die Deutsche Telekom bietet das bereits mit ihrer App an. Andere, wie Deloitte in Großbritannien, ermuntert Kandidaten, den Status ihrer Bewerbung jederzeit mobil zu checken. Das schafft Transparenz und setzt ein Zeichen: wir wissen, wie wichtig es euch ist, auf dem neuesten Stand zu sein.

saatkorn.: Neben den Karriere-Websites und den Bewerbermanagement-Systemen widmet Ihr Euch erstmals dem Thema Online-Kommunikation. Wie seid Ihr hier vorgegangen, was sind die Bewertungskriterien?
Die beiden neuen Kanäle, die wir untersucht haben, sind einerseits Facebook-Karriereseiten, und andererseits mobile Karrieseiten und Apps.

Im Zentrum der Facebook-Karriereseiten stehen Interaktivität und die Möglichkeit, in Kontakt zu treten. Aber auch Privatsphäre, die Verknüpfung mit der Karriereseite und den Stellenanzeigen sowie Hintergründe zum Arbeitgeber sind Jobsuchern hier wichtig. Was mobile Karriereseiten und Apps angeht, haben wir die Kategorien Recruiting (Jobsuche und Bewerbung), Employer Branding (Fragen über das Unternehmen als Arbeitgeber) und Usabilty (Zugang und Nutzerfreundlichkeit) untersucht.

Beide Studien sind ein wichtiger Anfang, und wir wollen die Kriterien im Gespräch mit den Kandidaten, den Arbeitgebern und den Providern weiterentwickeln.

saatkorn.: Bezieht sich das Top 30 Ranking im Themenfeld Online Kommunikation auf Deutschland, oder ist es ein internationales Ranking?
Hier auf saatkorn. sind die Top 30 in Deutschland abgebildet. Darüber hinaus haben wir die Untersuchung auch in USA, Asian, Gesamt-Europa sowie in Frankfreich und Großbritannien durchgeführt.

Potentialpark 2012 Top 30 Online Kommunikation Deutschland

saatkorn.: Welche Rolle spielt facebook bei der Online-Kommunikation. Insgesamt lässt sich ja ein klarer Trend erkennen, dass facebook in bestimmten Zielgruppen nahezu eine Monopolstellung hat. Will die von Euch befragte Zielgruppe aber überhaupt auf facebook von Arbeitgebern angesprochen werden? – Hier gehen die Meinungen ja teilweise weit auseinander!
Richtig, denn das liegt an der Frage. Angesprochen werden – nein. Selber bei Bedarf etwas finden – ja. Jobs suchen – eher nein. Den Like-Button bei Karriereseiten klicken und damit zum „Follower“ werden – bei Interesse ja. Sharing von interessanten Inhalten mit Freunden – ja. Letzteres ist auf Facebook wahrscheinlicher als auf Xing oder LinkedIn. Man muss also unterscheiden.

Facebook schlägt die professionellen Netzwerke in Punkto Offenheit, Aktualität, intuitive Bedienung und durch die Möglichkeit für Unternehmen, ihre Geschichten zu erzählen, Mitarbeiter vorzustellen, eine authentische Sprache zu benutzen und tiefere Einblicke zu gewähren. Das alles sollte auch mit der Onlinebewerbung verknüpft sein, damit man vom Suchenden zum Bewerber werden kann. Networking und Jobsuche finden aber eher noch auf Xing und LinkedIn statt.

saatkorn.: Was sind Eurer Meinung nach die wichtigsten Anforderungen, die die meisten Unternehmen im Bereich Online-Kommunikation aktuell noch nicht erfüllen?
Drei Dinge: eine kandidatenfreundliche Onlinebewerbung, ein umfassender mobiler Auftritt und drittens die Beherrschung der Tücken und Chancen der sozialen Netzwerke mit ihrer eigenen, schnellen und authentischen Kommunikation.

saatkorn.: Torgil, herzlichen Dank für das Inteview und weiterhin viel Erfolg. 

EXKLUSIV: Die top 30 Karrierewebsites im Potentialpark Ranking 2012

Potentialpark LogoEs ist wieder Ranking-Zeit. Nach der großen Social Media Studie in der letzten Woche folgt nun das jährliche Potentialpark Ranking, welches im 10. Jahr durchgeführt wird. Erstmals wurde die Online Kommunikation insgesamt der Unternehmen bewertet, daneben gibt es noch 2 Unter-Rankings, nämlich das schon lange etablierte Ranking der Karrierewebsites und das Ranking der besten Online-Bewerbungssysteme. saatkorn. hatte Gelegenheit, exklusiv mit Torgil Lenning, CEO von Potentialpark über die Ergebnisse zu sprechen. Auf geht’s:

saatkorn.: Torgil, die Potentialpark-Studie findet in diesem Jahr nun bereits zum 10. Mal statt. Was sind Neuerungen gegenüber dem letzten Jahr?

Multichannel. Jobsucher kommunizieren so vielfältig wie nie. Und die Arbeitgeber versuchen langsam aber sicher, ihnen zu folgen. Technologie macht nicht mehr den entscheidenden Unterschied, sondern Inhalt. Und die Frage, wie man verschiedene Onlinekanäle miteinander verknüpft.

Die Karrierewebseite und die Onlinebewerbung bleiben die wichtigste Anlaufstellen für Jobsucher. Doch bei bestimmten Anforderungen stoßen sie an ihre Grenzen. Dazu gehören persönliche Kontakte, Aktualität und Interaktivität. Hierfür sind die sogenannten Netnatives auf Plattformen und Netzwerken unterwegs, auf denen sie auch mehr und mehr Arbeitgeber erwarten. Das passiert ganz intuitiv.

Kommunikation funktioniert längst nicht mehr linear, sondern chaotisch, unberechenbar. Daher kommt es auf die Konsistenz der Aussagen und Präsenzen an, sowie auf Transparenz und die Einblicke und Erfolgsgeschichten, die Arbeitgeber aufbieten können, um ihre Value Propositions mit Leben zu füllen. Sowohl auf ihrer Karrierewebseite, als auch auf sozialen und professionellen Netzwerken und mobil.

Daher haben wir für 2012 das Feedback der Jobsucher zur gesamenten Online-Kommunikation gesammelt und untersucht, inwieweit die Unternehmen ihre Erwartungen auf den verschiedenen Kanälen erfüllen. Diesen Studien-Ansatz nennen wir OTaC – Online Talent Communication.

saatkorn.: Und wie wurde das Thema „Online Talent Communication“ dann konkret von Euch untersucht?
Wir haben die Jobsucher – über 30,000 weltweit, über 2,000 in Deutschland – befragt, welche Onlinekanäle sie nutzen, welche sie gern mehr nutzen würden, und auf welchen sie erwarten, dass Arbeitgeber präsent sind.

Außerdem haben wir die Online-Präsenzen von über 500 Unternehmen, davon 131 in Deutschland, untersucht. Daraus ergeben sich Rankings der besten Karrierewebseiten und Onlinebewerbungen (wie bisher), sowie der besten Facebook-Karriereseiten und mobilen Seiten und Apps. Außerdem haben wir drei weitere Kanäle – Xing/LinkedIn, Twitter und Blogs – untersucht. Aus allen sieben Kanälen ergibt sich das OTaC-Ranking, das zeigt, welche Arbeitgeber insgesamt am besten aufgestellt sind.#

Top 30 Online Kommunikation 2012 Potentialpark

Die Kriterien haben wir im Vorfeld aus den Erwartungen der Jobsucher, den technischen Gegebenheiten und den Employer-Branding-Trends entwickelt. Die Gewinner sind die Unternehmen, die sich früh viel getraut, die Fehler gemacht und daraus gelernt haben, und die nicht aufgehört haben, kreativ und innovativ zu sein.

saatkorn.: Was sind Eure zentralen Erkenntnisse in Bezug auf Websites, Onlinebewerbungs-Systematiken und Social Media und Mobile?

Die Karrierewebseite des Unternehmens bleibt die Nummer eins. Sie kann im Moment durch nichts ersetzt werden. 84% der Studenten und Absolventen in Deutschland, die im Internet auf Karrieresuche sind, tauchen hier früher oder später auf. Sie funktioniert als wichtigste Informationsquelle, sie ist die Drehscheibe aller Aktivitäten und Präsenzen, und Jobsucher sind weitgehend zufrieden damit. Aber sie ist eben auch quasi überhaupt nicht interaktiv. Doch das erwarten Jobsucher auch nicht unbedingt, weil Interaktivität woanders passiert. Sie ist das große schwere Mutterschiff, an das mehr und mehr flinkere Shuttle andocken, die für bestimmte Missionen nützlicher sind.

Die Wahl der Kanäle diversifiziert sich, und Unternehmen, die breit aufgestellt sind, haben einen Vorteil. Nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig, weil sie lernen, wie das Verhalten, die Sprache und das Tempo zukünftiger Generationen von Absolventen entwickelt, und wie sie sich darauf einstellen können. Und weil sie damit ein Zeichen setzen, das sich auf ihre Arbeitgebermarke auswirkt.

Top 30 Karrierewebsites Deutsch Potentialpark 2012

Ein weiteres großes schweres Schiff, das seit langem an den Karrierewebseite hängt, ist die Onlinebewerbung. In Deutschland sagen 74% der Studenten und Absolventen immer noch, dass sie sich gern per Email bewerben (5% mehr als letztes Jahr), nur 56% nennen online über die Systeme der Arbeitgeber (-8%). Was ist hier passiert?

Eigentlich schlug der Trend lange in Richtung Onlinewerbungen. Diese haben in Deutschland aber den Ruf, der „Weg der Masse“ zu sein. Man erhofft sich größere Chancen, wenn man einen persönlichen Kontakt hat, dem man seinen Lebenslauf am System vorbei schicken kann. Dazu kommt, dass es trotz erster Anstrengungen noch nicht gelungen ist, die Systeme so kandidatenfreundlich zu machen, wie man es von Internetanwendungen im Jahr 2012 erwarten würde. Im Gegenteil, der Kontrast wächst bedrohlich.

Die meisten Studenten und Absolventen haben sich mehr als einmal online beworben, und wenn sie es zehn mal gemacht haben, fragen sie sich, warum sie beim elften Mal wieder alles ausfüllen müssen. Sie wünschen sich einfachere Lösungen, etwa Universalprofile und schlaues CV-Parsing. Sonst wächst der Wunsch nach der guten alten Email mit Attachment. Das ist die Botschaft, mit der Arbeitgeber an ihre Provider treten sollten, und mit der wir sie auch unterstützen wollen.

Auf einem der eben genannten „Shuttle“, die die Karrierewebseite ergänzen, nämlich Facebook, sieht man die Karriereseiten wie Pilze aus dem Boden schießen. Etwa die Hälfte der 131 untersuchten Unternehmen hat bereits eine. Am besten schneiden Unternehmen ab, die eine klare Aussage zum Datenschutz machen, ihre Seite für Diskussionen öffnen, regelmäßig Geschichten, Links und Photos hinzufügen und einen klaren nächsten Schritt anbieten. Sei es eine Jobsuche oder den Link zur Karrierewebseite. Dann das letzte Ziel ist für beide Seiten immer die Bewerbung.

saatkorn.: Wo klaffen auf Basis der diesjährigen potentialpark-Studie die größten Lücken zwischen Bedürfnissen und Erwartungen der Zielgruppe und dem Angebot der Unternehmen?

Im Bereich mobil. Zwei Drittel der Jobsucher können sich vorstellen, ihr Handy für die Jobsuche und Karrierezwecke einzusetzen oder tun es bereits, aber nur 20 von 131 untersuchten Arbeitgebern in Deutschland haben hier etwas anzubieten.

saatkorn.: Was sind aus Potentialpark-Perspektive die zentralen Handlungsfelder für die Unternehmen, sowohl kurz- als auch mittelfristig?

Unternehmen sollten die Karrierewebseite weiterhin als ihr wertvollstes und zentrales Instrument behandeln, um mit Jobsuchern zu kommunizieren. Außerdem sollte die Onlinebewerbung immer als Ziel aller Wege und Prozesse sein. Daher sollten Arbeitgeber alle ihre Kanäle so verknüpfen, dass der Weg zu beidem möglichst kurz bleibt.

Gleichzeitig sollte man damit rechnen, dass die mobilen Zugriffszahlen stark steigen, und dass früher oder später kein Weg an mobiler Optimierung vorbeiführt.

Zuguterletzt ermutigen wir HR- Mitarbeiter, als Speerspitze in ihren Unternehmen aufzutreten und Veränderungen und Innovation voranzutreiben. Sie brauchen ein Smartphone, ein iPad und Apps, und die persönliche Erfahrung und Expertise. Einmal um selber zu lernen, und auch um Unterstützer und Botschafter in der eigenen Organisation für sich zu gewinnen. Es sind aufregende Zeiten, um in der Onlinekommunikation zu arbeiten. Es ist zu wichtig, um zu warten, und es wird auch nicht besser, sondern nur später.

saatkorn.: Torgil, herzlichen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit Potentialpark.

Hinweis in eigener Sache: Nächste Woche erscheint auf saatkorn. nochmals ein vertiefendes Interview zum Ranking der Online-Bewerbungssysteme.